neustark – Beton mit Klimaziel

Interview mit Lisa Braune, Environmental Performance Managerin bei neustark – Technologien und Wertschöpfungsketten, um CO2 in Rückbaubeton zu speichern

Lisa Braune, Environmental Performance Managerin bei neustark

Hallo Lisa, Danke nimmst du dir die Zeit, neustark und eure innovative Technologie vorzustellen.

Was genau ist «Beton mit Klimaziel» und wie funktioniert das?

Zuerst muss man sagen, dass sich neustark als Technologieentwickler im Bereich CO2-Senkung positioniert. Mit unserem Verfahren speichern wir CO2 in Abbruchbeton.

Bereits heute wird Abbruchbeton rezykliert. Dabei wird das Material in Granulat gebrochen und das integrierte Metall separiert.  Das Beton-Granulat kann anschliessend für weitere Bauvorhaben wiederverwertet werden. In diese bereits existierende Wertschöpfungskette wird unser Prozess integriert. Mit unserem CO2-Injektionssystem kann man so den Betonrecycling-Prozess und den daraus wiederverwendeten Beton klimafreundlicher machen. Das ist unser Core-Business.

Das CO2 wird dabei von uns geliefert. Wir sind der CO2-Supplier für unsere Kundschaft. Heute beziehen wir das Treibhausgas von der ARA-Bern, bei welcher CO2 als «Abfallprodukt» entsteht. Die ARA-Bern produziert aus Klärschlamm und anderen biogenen Abfällen Biogas, welches aus rund 60% Methan und 40% CO2 besteht. Im Biogas-Upgrader wird das CO2 anschliessend entfernt, damit das Biomethan in das lokale Gasnetz eingespeist werden kann. Hier kommen wir ins Spiel – neustark verflüssigt das abgeschiedene CO2, damit es anschliessend mit einem biogasbetriebenen Lastwagen zu den Betonrecyclingwerken gebracht werden kann. Das ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, auch für die Umwelt. Wir betreiben auch eine CO2-Zertifizierung mit Gold Standard. Dafür messen wir genau, wie viel CO2 gespeichert wird und wie viele Emissionen entlang unserer Wertschöpfungskette entstehen. Jährlich werden dann Zertifikate ausgestellt, welche neustark verkaufen kann. Die Einnahmen benötigen wir, um die Kapital- und Operationskosten der gesamten Wertschöpfungskette zu decken. Wenn aber Bauherrschaften selbst die CO2-Emissionenkung beanspruchen wollen, dann zahlen sie eben einen Aufpreis für den CO2-versetzten Beton.

Wie seid ihr bei neustark auf die Idee gekommen und wie habt ihr diese in die Tat umgesetzt?

Johannes (ETH) und Valentin (ehemals Climeworks) hatten unabhängig voneinander ähnliche Ideen. Durch einen externen Kontakt haben sie sich kennengelernt und die Idee ausgereift. Dank der Nähe zur ETH konnte der Prozess entwickelt und experimentiert werden. Die erste kommerzielle Anlage, eine mobile Pilotanlage, besteht aus zwei Containern, einem CO2-Tank und einer Prozesszentrale. Die Container, in welche das Betongranulat kommt, werden mit CO2 begast und speichern so das Treibhausgas im Beton. Kästlibau hat mitgeholfen, das in der Praxis zu testen. Diese mobile Pilotanlage wird von Betonrecyclingwerken gemietet, um unseren Prozess zu testen.

Habt ihr schon einmal eine Potenzialberechnung gemacht, für eine Schweiz oder Welt, die nur neustark Beton nutzt? Oder anders gefragt, was kann der Beton von neustark zur Erreichung der Klimaziele beisteuern?

Die Antwort ist beide Male Ja.

Das theoretisches Speicherpotenzial von CO2 in Beton liegt bei 60 kg / t.

Heute liegt die Beton-Rückbaumenge in der Schweiz bei rund 5 Millionen. Tonnen pro Jahr, wobei eine Verdoppelung etwa alle 10 Jahre stattfindet. Entsprechend könnte man heute theoretisch ca. 300’000 Tonnen CO2 pro Jahr speichern. Bis ins Jahr 2050 fast 2 Millionen Tonnen CO2.

Weltweit liegt das theoretische Speicher-Potenzial bis 2050 bei rund 600 Millionen Tonnen CO2!

Das momentane technologisches Speicherpotenzial weicht davon jedoch etwas ab. Denn es gibt verschiedene Faktoren, welche die Speicherung beeinflussen. Je feiner beispielsweise das Granulat ist, desto besser kann Kohlendioxid aufgenommen werden. Heute können wir rund 10-15 kg CO2 pro Tonne speichern.

Unser zweiter Prozess (erfolgreich im Labscale an der ETH getestet, Pilotanlage vor wenigen Monaten gebaut) kann das theoretische Potenzial von 60 kg CO2 pro Tonne ausschöpfen. Das Grossartige daran ist, der erste und zweite Prozess können für die Produktion von neuem Beton kombiniert werden. Voraussichtlich kommt diese Technologie 2025 auf den Markt.

Mit CO2 versetzter Beton von neustark.

Ein Beton mit weniger CO2-Emissionen klingt super, aber ist das nicht auch teurer oder mit Qualitätseinbussen verbunden? Wie überzeugt ihr Kunden, eure Innovation einzusetzen?

Wir sind in erster Linie Technologielieferer. Der Beton selbst wird nie von uns gemacht. Aber der Beton, welcher aus CO2-angereichertem Betongranulat gemacht wurde, hat gleiche oder sogar bessere Qualität als konventioneller Recyclingbeton (u.a. bessere Druckfestigkeit). Es konnte aufgezeigt werden, dass je nach Voraussetzungen eine Zementreduktion von 0 – 20% erreicht werden kann. Dies hat zur Folge, dass weitere Emissionen vermieden werden können.

Der Preis wird jedoch immer durch die Betonproduzenten bestimmt. Wir empfehlen deshalb den mit CO2-angereicherten Beton via öffentlichem Ausschreibungsverfahren zu definieren. Dies führt zu einem erhöhten Wettbewerb und besseren Beton-Preisen. Die Frage ist auch, wer die CO2-Senke für sich beanspruchen möchte.  Falls die Bauherrschaft oder die Baufirma die Senke für sich beanspruchen möchte, ist mit einem Aufpreis von +/- 5 bis 10% auszugehen. Ansonsten hat Beton mit CO2-angereichertem Betongranulat den gleichen Preis wie vergleichbarer, herkömmlicher Recyclingbeton.

Gerade im Bauwesen werden Aufträge mehrheitlich via Ausschreibungsverfahren vergeben. Allzu oft hört man, dass es am Ende immer eine Preisfrage ist. Wie kann sich der neustark-Beton in diesem Umfeld behaupten?

Wie oben bereits erwähnt, können dank unserem Verfahren CO2-Emissionen gesenkt werden, was wiederum die Ökobilanz verbessert. Das hat mittlerweile auch einen Wert. Zudem weist der neustark-Beton qualitative Merkmale auf, die sehr positiv sind. Dadurch kann oftmals der Einsatz von teurem Zement verringert werden.

Was wünscht sich neustark hinsichtlich Ausschreibungsverfahren für die Zukunft? Sollte der Aspekt Nachhaltigkeit stärker gewichtet werden, und wenn ja, wie?

Beton wird stark nach Eigenschaften ausgeschrieben. Wünschenswert wäre, wenn auch die Umweltaspekte (u.a. Treibhausgasemissionen) stärker gewichtet werden würden. Da sind u.a. auch Bauherrschaften, Planer:innen und Ingenieur:innen relevant. Wenn dieser Aspekt in öffentlichen Ausschreibungen berücksichtig wird, hat dies automatisch Auswirkungen auf die Betonproduzenten.

Derzeit bekommen wir pro Woche rund 5 Anfragen von effektiven Interessenten und Interessentinnen. Dies zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und es für die Zukunft wohl in diesem Bereich zu Änderungen kommen wird.

Mit welchen Partnern/Kunden arbeitet neustark bereits zusammen und wie habt ihr diese von einer Zusammenarbeit überzeugt?

Unsere Kundschaft sind u.a. Käufer:innen von CO2-Zertifikaten, Beton-Recyclinwerke (Kauf der Technologie) wie beispielsweise Holcim oder Kibag. Neu sind wir auch international tätig.

Es gibt von der Seite der Betronproduzenten ensthaftes und steigendes Interesse, die CO2 Emissionen ihres Produktes zu reduzieren. Sie sehen sich als Teil der Lösung – und wir merken ihre Ambition, unmittelbar mit der Emissionsreduktion zu starten.. Öffentliche Ausschreibungen mit erweiterten Nachhaltigkeitsauflagen fördern diese Entwicklung zusätzlich.

Erst habe ich gelesen, dass auch Bundesrätin Sommaruga bereits Kontakt mit neustark-Beton gemacht hat. Wie wichtig ist aus eurer Sicht der Einfluss der Politik bei der Förderung und Implementierung von Innovationen wie sie neustark hervorgebracht hat?

Es ist sehr wichtig Aufklärung und Vertrauen im Bereich CO2-Senkung zu schaffen. Unternehmen müssen in Technologien und Prozesse Vertrauen haben. Heute ist es leider noch so, dass Strafzahlungen noch zu wenig Anreiz schaffen, um Emissionen effektiv reduzieren zu wollen.

Im EHS (Emissionshandel Schweiz) liegt der Preis für CO2-Einsparung bei etwa CHF 75 pro Tonne, das ist zu wenig. Unter 200 CHF pro Tonne bewegen sich viele Unternehmen nicht in eine nachhaltigere Richtung.

Auch können gewisse Industrien praktisch nicht klimafreundlicher werden. Die sind umso mehr auf Technologien wie die unsere angewiesen.

Das Schweizerische CO2-Gesetz, welches kürzlich an der Urne abgelehnt wurde, hätte zu einer Förderung von klimafreundlichen Technologien wie neustark geführt. Politische Massnahmen sind entsprechend wichtig, um Anreize zu schaffen klimafreundlicher zu werden.  

Für uns ist eine stabile Abnahme von CO2-Zertifikaten wichtig, um unser Angebot und die Wertschöpfung aufrecht zu erhalten. Heute basiert das auf einem freiwilligen Markt, was es nicht ganz einfach macht.

Der neustark-Begasungscontainer, um Beton mit CO2 anzureichern.

Hat neustark noch mehr Innovationen in der Pipeline? Könnt ihr dazu bereits etwas sagen?

Unser Fokus liegt auf dem zweiten Prozess und dem Vertrieb unserer Erst-Technologie. Ebenfalls wollen wir den CO2-Supply sowie die Transportwege in der Schweiz optimieren und nach Europa expandieren.

Unser Ziel ist ein signifikanter Impact. Bis 2030 wollen wir ein technologisches Speicherpotenzial von 1 Million Tonnen CO2 pro Jahr erreichen!

Was erhofft sich neustark für unsere Gesellschaft und für die Zukunft?

Persönlich wünsche ich mir, dass Unternehmen und Länder ihre Verantwortung im Bereich Klima tatsächlich wahrnehmen und es nicht nur bei Versprechen bleibt, sondern das effektive Massnahmen ergriffen werden und Impact generiert wird.

Utopisch gesehen, wäre es schön, wenn in Zukunft das wettbewerbsfähigste Produkt auch den grössten Umweltnutzen aufweist. Oder anders gesagt, dass versteckte (Umwelt)Kosten berücksichtigt werden. Denn heute sind umweltschädliche Angebot meist günstig genug, um dennoch erfolgreich zu sein. Den Preis bezahlen aber Alle, insbesondere die Umwelt und kommende Generationen.

Vielen herzlichen Dank Lisa für die Zeit und die Einblicke in neustark.

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