Interview mit Renato Vögeli, Geschäftsleitung bei Vögeli AG – Die enkeltaugliche Druckerei.
Hallo Renato, vielen Dank nimmst du dir die Zeit und stellst dich unseren Fragen.
Was genau ist mit enkeltauglicher Druckerei gemeint und was ist „Cradle to Cradle (C2C)“?
Als Familienunternehmen der 4. Generation wollen wir die Vögeli AG so ausrichten, dass sie langfristig Erfolg hat und einen Mehrwert generiert. Es geht darum, etwas weitergeben zu können.
Wir wollen Produkte anbieten, die keinen Schaden anrichten, sondern einen Nutzen generieren. Wir wollen keine Probleme für kommende Generationen schaffen.
Es ist für uns auch wichtig finanzielle Stabilität dauerhaft zu gewährleisten. Investitionen müssen sich für uns nicht unbedingt im darauffolgenden Jahr auszahlen, sondern langfristig sinnvoll sein. Als Beispiel kann hier unsere Produktionshalle genannt werden. Wir haben uns vor 16 Jahren entschieden die gesamte Klimatisierung mithilfe des Grundwassers zu gewährleisten. Man kann sich das vorstellen wie eine Wärmepumpe/Erdsonde – Ein Austausch von Wärme und Kälte. Diese Anlage war zwar teurer, aber dafür haben wir nur einen Bruchteil, also 4% der Energiekosten, welche eine herkömmliche Klimatisierung erzeugen würde. Zudem können wir aus der Abwärme der Klimatisierung sowie der Produktion unsere gesamte Liegenschaft heizen. Das hat sich nach 16 Jahren mehr als ausbezahlt und gleichzeitig noch einen ökologischen Mehrwert geschaffen.
Ebenfalls wollen wir unsere Mitarbeitenden wertschätzend behandeln und sie auch weiterentwickeln. Mittlerweile haben wir 50 Angestellte, davon 13 Lernende. Unser internes Ziel ist, dass wir allen Mitarbeitenden mind. 50 bezahlte Weiterbildungsstunden bieten können. So unterstützen wir unsere Mitarbeitenden in ihrer persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung und sichern gleichzeitig auch die Kompetenzen unseres Unternehmens.
Um Cradle to Cradle besser zu verstehen, haben wir ein Erklärungsvideo gemacht sowie Informationen auf unserer Website hinterlegt.
Wie seid ihr bei der Vögeli AG auf die Idee gekommen, Cradle to Cradle einzuführen und wie seid ihr bei der Implementation vorgegangen?
Das nachhaltige Denken haben mein Bruder und ich bereits von unserem Vater mitbekommen. Der gesamte C2C-Entwicklungsprozess startete etwa im Jahr 2000. Da haben wir die erste Druckproduktion ohne Isopropyalkohol und VOC (Volatile Organic Compounds) lanciert, was eine Neuheit darstellte. Ebenfalls haben wir mit der Zeit auf 100% Ökostrom umgestellt sowie eine eigene Photovoltaik-Anlage (rund 30’000 kWh/Jahr) gebaut, die zumindest einen Teil unseres Bedarfs deckt. Als wir dann im Jahr 2015 irgendwann nicht mehr viel Optimierungsbereiche in der Produktion und im Gebäude hatten, schwenkte unser Fokus langsam auf das Produkt. Das war bis dahin nicht bewusst im Mittelpunkt.
Die erste C2C-Zertifizierung erhielten wir im Jahr 2016. In Kooperation mit einer österreichischen und dänischen Druckerei, haben wir die gemeinsame Entwicklung im C2C-Bereich vorangetrieben. Wir konnten sehr viel von unseren Kooperationspartnern lernen und profitieren. Ebenfalls haben wir mit einem Wissenstreuhänder zusammengearbeitet, um mit Lieferanten arbeiten zu können. Nur so hatten wir die Möglichkeit in die Produktmixturen Einblick zu erhalten und giftfreie Lösungen zu erarbeiten. Zudem haben wir die C2C-Institution im Rücken, welche uns ebenfalls unterstützt.
Giftfreie und kreislauffähige Druckprodukte klingen super, die Preise sind aber sicher entsprechend höher als bei der Konkurrenz? Ist das ein Problem oder wie überzeugt ihr eure Kunden von euren umweltfreundlichen Produkten?
Das ist aus meiner Sicht eine Philosophiefrage. Unsere Zielgruppe teilt dieselbe Einstellung und entsprechend ähnliche Werte wie wir. Zudem fragen Konsumenten immer mehr nachhaltige Produkte nach. Somit können unsere Kunden diese Bedürfnisse abdecken.
Der Preis ist nicht immens höher, da sprechen wir vielleicht von +5% zu herkömmlichen Druckanbieter. Nach 5 Jahren konnten wir unsere Prozesse so weit optimieren, dass es bei vielen Produkten keinen Unterschied mehr ausmacht. Was aber definitiv ist. Es gibt kein besseres Preis-Leistungsverhältnis im Schweizer Markt, wenn man Qualität, Nachhaltigkeit und Preis berücksichtigt.
Die Qualität muss aber zu jedem Zeitpunkt stimmen. Niemand kauft ein ökologisches Produkt, dass aber den Qualitätsansprüche nicht entspricht. Es braucht Wille und Hartnäckigkeit, die Qualität mit den C2C-Standards zu kombinieren.
Der Preis von toxischen respektive herkömmlichen Produkten widerspiegelt heute leider selten der Kostenwahrheit, ist also zu günstig. Denn die Entsorgung und Umweltauswirkungen werden von der Allgemeinheit bezahlt. In diesem Bereich arbeitet die (EU)Politik daran, eine Verbesserung zu erzwingen respektive das Verursacherprinzip einzuführen.
Was müsst ihr beim Produktdesign, Einkauf und der Produktion mit Cradle to Cradle-Ansatz besonders beachten?
Produkte müssen von Beginn weg neu gedacht werden. Welche Komponenten besitzt ein Produkt? Welche Komponenten gehen nach 2C2, welche nicht? Es muss bereits beim Produktdesign ans Ende der Nutzung gedacht werden. Als Beispiel nenne ich hier gerne unsere Visitenkarten. Diese haben einen QR-Code und integrierte Blumensamen. Sie sind ohne schädliche Stoffe sowie CO2-neutral produziert und hinterlassen am Ende sogar noch etwas Positives. Die Lieferantenauswahl ist entsprechend wichtig. Es braucht verlässliche Partner und ein Netzwerk/Ökosystem. Allein geht es nicht. Kreislaufwirtschaft kann nur funktionieren, wenn viele mitmachen.
Wie wirkte sich der Cradle to Cradle-Ansatz auf eure Unternehmenskultur und die Stakeholder Beziehungen aus?
Unsere Kundenstruktur hat sich verändert, indem wir Wert auf Nachhaltigkeit gelegt haben. Unsere Partner, teilen heute die gleichen Werte wie wir. Zudem bewerten unsere Mitarbeiter die Nachhaltigkeit als Motivation bei der Vögeli AG zu arbeiten. Wir leben in einer Zeit, in der Geld allein nicht mehr reicht, gute Mitarbeitende zu bekommen geschweige zu halten. Die Sinnhaftigkeit der Arbeit hat stark an Bedeutung zugenommen. Das wollen wir entsprechend berücksichtigen und pflegen. Wir investieren in unsere Stakeholder-Beziehungen, so dass langfristige Partnerschaften entstehen von der Alle profitieren.
Nebst dem Cradle to Cradle-Ansatz, wie behauptet sich die Vögeli AG nachhaltig im Markt?
In unserer Branche steht man grundsätzlich unter Druck, u.a. verändert die Digitalisierung die Kundenbedürfnisse und verkleinert das Marktvolumen des klassischen Printbereichs.
Darum haben wir drei klare Fokusbereiche:
- Nachhaltigkeit (C2C) & hohe Qualität als Gütesiegel
- Produkt-Verpackungen (Nachfragetendenz steigend, speziell nachhaltige Verpackungen)
- Digitale Kommunikation (& analog), u.a. individualisiertes Direkt-Mailings
Wie stehst du persönlich zu «teilweise-nachhaltigen» Geschäftsmodellen und Produkten? Also zu Kompromisslösungen in Sachen Nachhaltigkeit.
Es ärgert natürlich, wenn das Wort «Nachhaltigkeit» missbraucht wird, um sich besser darzustellen, man jedoch keinen effektiven Mehrwert generiert. Schöne Worte und aufgemöbeltes Design bringen am Ende keinen wirklichen Impact. Dies schadet leider auch den ehrlichen Marktanbietern und täuscht vor allem die Konsumenten.
Es gibt aber auch Situationen, wo man nicht alles sofort umsetzen und nachhaltig sein kann, aber in die richtige Richtung geht. Nachhaltigkeit braucht Zeit. Auch wir haben einmal angefangen. Die Vögeli AG hat sich aber für eine kompromisslose Nachhaltigkeit entschieden und geht seither diesen Weg, Schritt für Schritt.
Was braucht es aus deiner persönlichen Sicht, damit wir unsere Wirtschaft und Gesellschaft hin zu effektiver Nachhaltigkeit bringen?
Persönlich bin ich von den Absichten der EU zu mehr Produktetransparenz überzeugt. Konsumenten haben heute praktisch keine Möglichkeit, alles zu erkennen und zu wissen. Gerade wenn Anbieter noch versuchen ihre Produkte nachhaltiger erscheinen zu lassen, als sie in Wahrheit sind. Entsprechend ist auch der Kaufentscheid immer «gelenkt». Hier bedarf es auf politischer Ebene wegweisende Entscheide.
Auch helfen all die Labels nur bedingt und bewirken allzu oft nur ein beruhigendes Gefühl beim Konsumenten. Viele Labels sind besser als nichts, aber weniger giftig ist eben immer noch giftig. Aus meiner Sicht sollten z.B. nicht die Bio-Produkte speziell gekennzeichnet sein, sondern die konventionell hergestellten Produkte.
Im Bildungsbereich dürfte es zudem einen stärkeren Fokus auf den Bereich Nachhaltigkeit geben. Doch das braucht alles Zeit.
Vielen herzlichen Dank Renato für die Zeit und den Einblick in die Vögeli AG.